Was versteht man unter einer Person bzw. personaler Identität?
A + B = 2 oder doch nur 1? Schülerinnen und Schüler des Städtischen Gymnasiums setzen sich mit dem Thema „personale Identität“ auseinander
Diese Frage war Gegenstand einer Veranstaltung, an der, anlässlich des Welttages der Philosophie in der letzten Woche, Philosophieschülerinnen und Philosophieschüler des Städtischen Gymnasiums teilnahmen. Vorbereitet und durchgeführt wurde die Veranstaltung von Professor Dr. Niko Strobach, Dozent für Logik und Sprachphilosophie am philosophischen Seminar der Universität Münster. In einem einführenden Vortrag, der das Thema in dem Bereich der philosophischen Logik verortete, überraschte Strobach seine Zuhörer, indem er mit Musik aus Richard Straus’ Oper „Der Rosenkavalier“ begann. In einem Lied schaut Resi, die Frau des Feldmarschalls, rückblickend auf ihre Jugendzeit. Sie sucht sich selbst in einem längst vergangenen Lebensabschnitt und erfährt sich als dieselbe trotz aller Veränderungen des Aussehens, des Lebensgefühls und der Lebenseinstellung. Die junge und die gereifte Rosi, also Rosi A und Rosi B, sind eins. Man kann deshalb, so Professor Strobach, von einer numerischen Identität sprechen. Dass aber die Frage der personalen Identität nicht immer in der Philosophie so „eindeutig“ beantwortet wird, lernten die Schülerinnen und Schüler arbeitsteilig in der Auseinandersetzung mit den Positionen dreier Autoren kennen: anhand philosophischer Texte von John Locke, Derek Parfit und Eric Olson. Innerhalb jeder Gruppe zu je einem der drei Texte gab es noch einmal drei kleinere Expertenteams, die mithilfe für diese eigens konzipierten Arbeitsblätter die Position des jeweiligen Autors aus einer besonderen Perspektive unter die Lupe nehmen sollten.
Im Zentrum der anschließenden Gruppenpräsentationen im Plenum stand ein Gedankenexperiment von Derek Parfit, das sich folgendermaßen zusammenfassen lässt: Stellen Sie sich vor, es gäbe die technischen Möglichkeiten, ihren Körper und Geist vollständig zu erneuern und das immer wieder. Dieser Gedanke erinnert an die schon im Mittelalter vorhandene Vorstellung des „Jungbrunnens“, der ewige Jugend verheißt. Wer möchte nicht im gehobenen Alter in einen Jungbrunnen steigen, um dem Verfall zu entkommen und frühere Leistungsfähigkeit zurückzugewinnen?
Bei Parfit, der das Ganze in die Zukunft verlegt, übernimmt diese Aufgabe ein Teletransporter, der die gescannten Informationen einer Person A zu einem „Replikator“ auf den Mars beamt, der eine identische Person B herstellt, mit demselben Körper und Bewusstsein wie das „Original“ oder, besser gesagt, die „Vorlage“, die auf der Erde zerstört wird. Wer würde da nicht gerne einsteigen? Vorausgesetzt alles klappt! Parfit ändert aber dann die Bedingungen seines Gedankenexperiments. In einer neueren Version dieser Maschine, die ebenfalls alle Eigenarten einer Person genau scannt, wird das Original, also Person A nicht zerstört, sondern existiert auf der Erde fort und kann nach dem Scannen mit seiner identischen Kopie, d.h. mit Person B auf dem Mars per Videoschaltung sprechen. Dummerweise ist die neue Maschine noch nicht ausgereift und beim Scanprozess wird das Herz von Person A auf der Erde geschädigt, die deshalb bald sterben muss. Würden Sie immer noch gerne in den Teletransporter einsteigen? Bedenken Sie, dass Ihre Kopie Ihr Leben weiterlebt, als wären Sie es selbst. Vielleicht sind Sie es ja auch selbst. Was würden eigentlich unsere drei Autoren machen? Würden sie in den Teletransporter mit dem neuen Scanner einsteigen? Locke würde es wahrscheinlich tun, Parfit ganz sicher und Olson nur unter einer bestimmten Voraussetzung.
Zur Begründung seien die Positionen der drei Autoren an dieser Stelle kurz vorgestellt. Locke erkennt die Identität einer Person in der Kontinuität, die durch ein einheitliches Bewusstsein sichergestellt wird. So sei ein Fürst mit dem Bewusstsein eines fürstlichen Lebens immer noch dieselbe Person, auch wenn dieser im Körper eines Schuhflickers einträte. Locke vergleicht dies mit einer Person, die in zwei Anzügen doch dieselbe bleibt. In einem Teletransporter ginge das Wesentliche beim Beamen also nicht verloren. Den identischen Körper gibt es dann, falls das Scannen glatt verläuft, als Zugabe noch oben drauf, falls nicht, auch nicht so schlimm. Parfit hingegen ist es klar, dass die Person auf dem Mars nicht dieselbe ist wie die kranke Person auf der Erde. Doch auf personale Identität kommt es nach Parfit auch überhaupt nicht an. Worauf es ankommt, ist nach seiner Meinung die psychologische Verbundenheit von Person B auf dem Mars mit Person B auf der Erde. So sei „zerstört und repliziert zu werden genauso gut wie gewöhnliches Weiterleben“. Person A sollte sich freuen, alles andere wäre purer Egoismus. Olson hingegen fordert „eine biologische Herangehensweise an personale Identität“. Kurz gesagt: Der Begriff Person ist für Olson nicht wesentlich, kein Substanzbegriff, sondern nur ein „Phasensortal“, also nur ein Attribut für eine bestimmte Lebensphase. So ist zum Beispiel das Menschsein ja auch nicht abgeschlossen, wenn ein Schüler kein Schüler mehr ist, sondern ein Student. Entscheidend ist für Olson, dass eine biologische Person nicht dieselbe bleibt, wenn ihre Bewusstseinsinhalte auf einen anderen Körper transferiert werden könnten. Dass die andere Person vielleicht eine perfekte Kopie darstellt, ist für das Original, das sterben muss, nur ein schwacher Trost.