Die Ethik der Migration
In dem Seminar zur „Ethik der Migration“ unter der Leitung von Dr. Matthias Hoesch ging es um das hochaktuelle Thema der Flüchtlingsströme. Auf der Grundlage eines Kapitels des Buches von Joseph Carens „The Ethics of Immigrations“ diskutierten Schüler und Studenten die Fragen: Gibst es eine moralische Verpflichtung von westlichen Demokratien, Flüchtlinge aufzunehmen und was könnten Begründungsfaktoren dieser Verpflichtung sein? Dazu zählt Carens z.B. kausale Zusammenhänge: Aus dem militärischen Engagement Deutschlands und anderer Staaten in Afghanistan zum Beispiel erwachse eine besondere Verantwortung für diejenigen, die als Folge dieses militärischen Eingreifens Schutz in diesen Staaten suchten. Einen weiteren Begründungsfaktor erkennt Carens in der Größe eines Landes und seiner Bevölkerung sowie in dem Stand seiner wirtschaftlichen Entwicklung: Je mehr Territorien ein Land für sich beanspruche, je größer seine Bevölkerung sowie der Wohlstand sei, den seine Bürger genössen, desto größer sei auch seine Verpflichtung, Flüchtlinge aufzunehmen.
Eine ganz entscheidende Frage der Anerkennung als Flüchtling hänge, so Carens, mit dem Begriff des Flüchtlings selbst zusammen: Wer ist eigentlich ein Flüchtling und warum? Die Genfer Konvention von 1951 beschränke den Flüchtlingsbegriff auf wenige Kennzeichen, wie die Verfolgung des Flüchtlings in seinem Herkunftsland aufgrund einer bestimmten politischen oder religiösen Weltanschauung. Flüchtlinge aus Kriegsgebieten fallen in diesem Sinne nicht unbedingt unter das Flüchtlingsrecht bzw. Asylrecht. Diese Eingrenzung des Flüchtlingsbegriffs lasse sich, so die Auffassung vieler Seminarteilnehmer, heute nicht mehr rechtfertigen.
Noch lebhafter verliefen die Diskussionen in dem Seminar zum Thema Generationengerechtigkeit. Unter der Leitung Nadine Moorens wurde zunächst der Unterschied von „historischer Gerechtigkeit“ und „Gerechtigkeit für künftige Generationen“ erarbeitet. Im Falle historischer Gerechtigkeit bzw. Ungerechtigkeit, wie z.B. dem Genozid an den europäischen Juden, könnten die Täter oft nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden. Im Sinne der Generationengerechtigkeit ergebe sich aber die Verpflichtung, aus der Geschichte zu lernen und so zukünftiges Unrecht zu verhindern. Was die Gerechtigkeit für künftige Generationen betreffe, gehe es darum potentielle Folgen des gegenwärtigen Verhaltens zu bedenken. Eine vieldiskutierte Frage dieses Seminars aber war, ob wir für den Ausgleich von Ungerechtigkeit, die in der Vergangenheit geschehen sei, auch Ungerechtigkeit heute akzeptieren müssten. Ist z.B. die Frauenquote für Führungspositionen und eine damit einhergehende etwaige Benachteiligung von Männern als Ausgleich für die Diskriminierung von Frauen in der Vergangenheit gerechtfertigt? In der Beantwortung dieser Frage ließ sich keine Einigkeit herstellen. Nicht wenige Seminarteilnehmer waren jedoch der Auffassung, die Frauenquote sei ein Opfer, das die Männer bringen müssten, um wenigstens irgendwann einmal eine Gleichheit herstellen zu können. Von einer gesellschaftlichen Gleichstellung von Mann und Frau seien wir heute ohnehin noch meilenweit entfernt. Daran ändere auch die Frauenquote nichts.